Es gibt im Deutschen eine ganze Reihe von Worten, die typisch für die deutsche Sprache sind. Weltschmerz beispielsweise, Kummerspeck oder Schadenfreude. Der Weltschmerz und die Schadenfreude haben sogar international Karriere gemacht und haben es bis in die englische Sprache geschafft, ebenso wie der Zeitgeist.
Vielleicht kommt daher mein Interesse für einzigartige Wörter, die es nur in einer Sprache gibt oder typisch für sie sind. Wenn Menschen ein eigenes Wort für eine Sache oder eine Situation erschaffen, ist sie in dieser Kultur offenbar besonders relevant. Das Wort entspringt dann auf natürliche Weise der Mentalität. Der Begriff „duende“ ist genauso typisch spanisch wie etwa eine Paella.
„tartle“, Schottisch
Zögern, weil man unsicher ist, ob man jemanden kennt oder nicht. „Sorry for my turtle“ sagen Schotten in dem Moment, wenn sie jemanden nicht gegrüßt haben und unfreundlich erschienen.
„kalsarikännit“, Finnisch
In Unterwäsche zu Hause sitzen und sich betrinken. Und nicht vorhaben, in nächster Zeit das Haus zu verlassen. „Kalsarit“ bezeichnet die Unterwäsche, meist Ski-Unterwäsche oder Boxer-Shorts. Das finnische Außenministerium hat sogar ein Emoji für „kalsarikännit“ entwickeln lassen.
„desenrascanço“, Portugiesisch
Kreative Problemlösung auf portugiesisch. Wörtlich bedeutet „desenrascançar“, in einem Fischnetz verheddert zu sein und sich irgendwie wieder zu befreien, obwohl es kaum möglich zu sein schien.
„jayus“, Indonesisch
Wenn jemand einen Witz so schlecht erzählt, dass es deswegen schon wieder lustig ist.
„akihi“, Hawaiianisch
Wenn man in einer fremden Gegen ist, nach dem Weg fragt und dann eine präzise Wegbeschreibung bekommt. Man ist erfreut und hört aufmerksam zu, aber an der nächsten Ecke hat man die Hälfte schon wieder vergessen.
„litost“, Tschechisch
Das Gefühl, das uns manchmal überkommt, wenn uns jemand durch seine übermäßigen Erfolge an das erinnert, was in unserem eigenen Leben schiefgelaufen ist.
„duende“, Spanisch
Wenn ein Kunstwerk uns berührt und wir intuitiv reagieren. Das kann Gänsehaut sein, ein milder Schock, tiefe Traurigkeit oder Euphorie … all das kann „duende“ sein.
„tsundoku“, Japanisch
Die Angewohnheit, mehr Bücher zu kaufen als man lesen kann. Tsundoku ist eine Kombination aus den japanischen Zeichen für „stapeln“ und „zu lesendes“.
„esprit de l’escalier“, Französisch
Die schlagfertige Antwort, die uns erst im Treppenhaus einfällt (l’escalier).
All diese Situationen kennen wir auch. OK, alleine in Unterwäsche zu Hause sitzen und sich betrinken vielleicht nicht, aber sonst schon … Dass diese Sprachen eigene Wörter dafür geschaffen haben, ist für mich typisch für die jeweilige Kultur. Es sind Denkmäler; kleine sprachliche Denkmäler, die man überall auf der Welt anschauen und genießen kann.